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Wieder mal was Neues aus Brüssel:

Die EU-Streitschlichtungsplattform ist Geschichte – und mit ihr eine Pflicht, die kaum jemand mochte

Im Agenturalltag gehört der Impressums-Check zu den eher lästigen Pflichten. Zwischen Cookie-Bannern, DSGVO-Disclaimer und Corporate-Design-Richtlinien wirkt der kleine Link zur EU-Streitschlichtungsplattform oft wie ein Relikt aus einer Zeit, in der Europa glaubte, Online-Konflikte zentral regeln zu können. Jetzt ist er weg. Und das ist gut so – aber es hat Folgen.

Am 21. Juli 2025 wurde die EU-Plattform zur Online-Streitbeilegung (kurz: ODR-Plattform) endgültig abgeschaltet. Was bei vielen Unternehmen kaum wahrgenommen wurde, hat rechtlich weitreichende Konsequenzen. Und das Überraschende: Wer jetzt nichts tut, riskiert Abmahnungen – ausgerechnet, weil ein Link zu viel ist.


Warum gab es diese Plattform überhaupt?

Die EU hatte 2016 ein ambitioniertes Ziel: Verbraucher:innen aus allen Mitgliedsstaaten sollten bei Problemen mit Online-Käufen eine zentrale Anlaufstelle haben, um Konflikte außergerichtlich zu lösen. Die Realität sah anders aus. Im Jahr 2023 gab es laut EU-Statistik weniger als 200 Beschwerden – EU-weit. Für eine Plattform, die Milliarden Bürger:innen erreichen sollte, ein Fehlschlag.


Was bedeutet das konkret für Betreiber:innen von Websites?

Wer in den letzten Jahren gesetzeskonform gearbeitet hat, hatte im Impressum und/oder in den AGB einen gut sichtbaren Link zur ODR-Plattform (https://ec.europa.eu/consumers/odr/) eingebaut – meist ohne großen Nutzen, aber eben aus Pflichtgefühl. Diese Pflicht ist nun offiziell entfallen. Das bedeutet:

  • Der Link muss gelöscht werden.

  • Jede weitere Verwendung ist abmahnfähig.

  • Auch Formulierungen wie „Wir sind zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor der EU-Kommission verpflichtet“ sind zu streichen.

Die Übergangsfrist endete bereits am 20. Juli 2025 – Website-Betreiber:innen, die den Hinweis weiterhin auf ihren Seiten führen, handeln rechtswidrig.


Was bleibt erhalten?

Ganz ohne Streitbeilegung geht es nicht. Die Abschaltung der ODR-Plattform bedeutet nicht, dass Unternehmen jetzt frei von Informationspflichten sind. Denn nach deutschem Recht (§ 36 VSBG) gilt weiterhin:

Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitenden müssen angeben, ob sie bereit sind, an einem nationalen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen – oder nicht.

Diese Information gehört ins Impressum oder in die AGB. Die Angabe kann lauten:

  • „Wir sind nicht bereit oder verpflichtet, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.“

  • Oder, falls doch: „Wir sind bereit, an einem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Zuständig ist: [Name der Schlichtungsstelle].“

Wichtig: Dieser Hinweis ist weiterhin Pflicht. Wer ihn unterschlägt, riskiert ebenso eine Abmahnung.


Was jetzt zu tun ist – eine kurze To-do-Liste

  1. ODR-Link aus Impressum und AGB löschen
    Suchen Sie nach Formulierungen wie „Online-Streitbeilegung“ oder der URL „ec.europa.eu/consumers/odr“. Entfernen Sie sie vollständig.

  2. Alte Formulierungen in automatisierten Templates prüfen
    Viele CMS, Shop-Systeme oder Generatoren (z. B. eRecht24, Trusted Shops, IONOS, etc.) hatten die ODR-Plattform standardmäßig integriert. Diese Einstellungen müssen manuell angepasst werden.

  3. Unterlassungserklärungen oder Gerichtsentscheidungen prüfen
    Falls Ihre Firma in der Vergangenheit wegen Impressumsverstößen abgemahnt wurde, lohnt ein Blick in die Unterlagen. Enthält eine Unterlassungserklärung einen Verweis auf die ODR-Plattform? Dann könnte eine Vertragsanpassung erforderlich sein.

  4. VSBG-Pflicht beachten
    Den allgemeinen Hinweis zur Teilnahme an einer nationalen Schlichtung müssen Sie – wenn Ihr Unternehmen mehr als 10 Beschäftigte hat – weiterhin geben.


Warum das Thema mehr ist als nur Impressumskosmetik

Klar, es geht um ein paar Zeilen Text. Aber: In Deutschland werden regelmäßig tausende Unternehmen pro Jahr wegen fehlerhafter Impressumsangaben abgemahnt. Für Agenturen, E-Commerce-Anbieter, Coaches, Dienstleister – also fast alle mit einer professionellen Webpräsenz – ist das Thema kein „Nice to have“, sondern Teil der rechtlichen Hygiene.

Dass die EU hier nun endlich aufgeräumt hat, ist überfällig. Die ODR-Plattform war von Anfang an ein zahnloser Tiger. Sie schuf keine Rechtssicherheit, sondern nur neue Pflichten, die weder Konsument:innen nutzten noch Unternehmen halfen.

Jetzt kehrt wieder ein Stück Klarheit ein – wenn man weiß, was zu tun ist.


Fragen zur Impressums-Pflicht oder zur DSGVO-konformen Website?
Unser Team bei EHNES hilft weiter – ob als Audit, Beratung oder mit einem Full-Service-Relaunch. Jetzt Kontakt aufnehmen.

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